Moin Carsten, vielen Dank für dieses Interview und deine Zeit! Es freut mich sehr, dass du hier mitmachst. Ich selber gehe immer gern in euren Laden in Hannover Empelde. Ich mag eure Fleischerei sehr, eine tolle Kombination aus traditioneller Fleischerei vor Ort und moderner Einrichtung mit geballtem Wissen zu innovativen Steak-Cuts und einer kreativen Eventküche.
Name: Carsten Scheller Website: fleischerei-scheller.de Facebook: facebook.com/FleischereiScheller Instagram: instagram.com/Fleischerei_Scheller Twitter: twitter.com/_scheller |
Seit wann gibt es eure Fleischerei und gibt es noch Rezepturen, die seit der Gründung so weitergeführt werden?
Uns gibt es seit 1938 und ja, es gibt tatsächlich eine Sorte, die wir unverändert seit den Zeiten meines Großvaters so herstellen, nämlich unsere „Harte Mettwurst“. Das ist auch gar nicht so schwer, denn außer Fleisch, Salz und Pfeffer kommt nix rein.
Wie hat sich die Fleischerei Scheller im Laufe der Zeit weiterentwickelt, um auch in der schnelllebigen Zeit der Online-Bestellungen weiter erfolgreich mit einem Ladengeschäft zu bestehen?
Ich beobachte den Markt ziemlich genau und kann sagen, dass wirklich starke Marken wie NIKE, Mercedes Benz, Cartier, Apple zwar online stark präsent sind, aber weiterhin der stationäre Handel gestärkt und ausgebaut wird. Für mich enthält diese Tatsache zwei entscheidende Punkte. Punkt 1: – Online frisst schwache Marken, starke Marken funktionieren in beiden Welten. Punkt 2: – Vieles funktioniert Online, aber nicht alles.
Ich versuche im Rahmen meiner Möglichkeiten die regionale Marke „Scheller Fleisch & Küche“ so zu positionieren, dass wir für etwas ganz Bestimmtes wahrgenommen werden.
Im Idealfall ist das die Tatsache, dass wir die Anlaufstelle für den sind, der „regional erzeugtes Fleisch von Meisterhand verarbeitet“ kaufen möchte. Die Tatsache, dass es nicht mehr ganz viele handwerkliche Fleischereien gibt und wir uns von denen, die es gibt, auch für Laien nachvollziehbar unterscheiden, macht uns unique und damit unempfindlich für den Wettbewerb aus dem Netz. Das soll nicht heißen, dass wir uns dem Onlinehandel verschließen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es aber so, dass ich, egal in welchem Geschäftsfeld ich mich engagiere, in diesem auch Geld verdienen will. Nur weil man Online verkauft, heißt das nicht, dass man damit etwas verdient. Ein Onlineshop der Gewinne macht, muss genauso gepflegt und positioniert werden wie ein Offline- Ladengeschäft- dafür fehlen mir momentan einfach die Mitarbeiter, die Mittel und auch die Notwendigkeit. Ich würde also sagen, wir haben uns in Sachen Positionierung, Markenauftritt und Selbstbewusstsein weiterentwickelt. Bei den meisten Produkten sind wir schrecklich schön altmodisch und das scheint zu funktionieren.
Habt ihr weitere Zukunftspläne und könnt ihr schon was verraten?
Ich plane in Zukunft genauso frei und kreativ weiter arbeiten zu können. Dazu braucht es genug Kunden und Freiräume zum „spinnen“. Ich werde mit Sicherheit keine Filiale eröffnen oder mir anderweitig weitere Standorte ans Bein binden. Ich möchte eine berufliche Zukunft für meine Familie und mich gestalten, in der die Veränderung so verläuft, dass unter dem Strich alles so bleibt wie es ist. Irgendein Schlaumeier hat mal gesagt: „Nur wenn ein System sich weiterentwickelt, kann alles so bleiben wie es ist- was sich nicht verändert ist tot“ Ich glaube er hat recht und das trifft meine Vorhaben ziemlich gut. Im Kleinen gibt es aber schon was neues. Wir wollen gemeinsam mit unserem Weinhändler eine neue Veranstaltungsreihe bei uns etablieren. Einfach ein Tisch, der sich biegt vor geilen Wurst- und Schinkenspezialitäten- 20 Hungrige und ein paar ausgesuchte Buddeln Wein. Wir wollen das einfach „Abendbrot“ nennen. Die erste Veranstaltung gibt es wohl noch vor Ostern.
Ihr macht auch noch das Gaumenwerk, was ist das genau und wie ist es entstanden?
Das Gaumenwerk ist unser kulinarisches Plauderzimmer und befindet sich direkt neben unserem Betrieb. In erster Linie waren wir scharf auf den Keller darunter. Dann kam irgendwann die Idee mit ein paar Kunden hier gemeinsam Wurst herzustellen. Was als spinnerte Idee begonnen hat, ist uns ziemlich schnell über den Kopf gewachsen- anscheinend haben wir das richtige zur richtigen Zeit angeboten. Mittlerweile haben wir eine ziemlich lange Warteliste für meinen „Nose to tail-Wurstworkshop“. Seit 2013 haben wir jetzt roundabout 200 Workshops abgehalten. Da draußen sind also 2000 Leuten, denen ich meine Sicht der Dinge und meine Berufsphilosophie live erläutern konnte- das ist schon ziemlich cool. Welcher Fleischer kann schon von sich behaupten, dass Leute zum arbeiten in den Laden kommen und dafür auch noch bezahlen? ;-))
Was grillst du als Fleischermeister am liebsten?
Ehrlich gesagt bin ich da ziemlich einfach gestrickt. Wenn ich mal Zeit habe, muss es in der Regel schnell gehen. Ich stehe die ganze Woche am Grill oder Herd. Am Sonntag mach ich höchstens mal den Monolithen an und leg ein paar von unseren Zwiebelsteaks oder auch mal Sardinen drauf.
Meistens bin ich dann auch vorher schon von Toastbrot und Ketchup satt:-) Wichtig ist mir beste Qualität der Zutaten- der Aufwand darf sich ruhig in Grenzen halten. Auf der anderen Seite ist es so, dass ich als gelernter Koch und Fleischermeister natürlich über Koch-Skills verfüge, die viele andere nicht haben und mir damit vieles leicht und schnell von der Hand geht. Wenn ich koche, dann ohne jegliche Convenience. Dann mach ich auch das Toastbrot zum sattessen selbst.
Eure Einstellung zum Fleischkonsum?
Wir essen alle zuviel, zu unüberlegt und mit zu wenig Respekt Fleisch. Es muss nicht jeden Tag Fleisch geben. Wenn man Fleisch einkauft oder sich ein Fleischgericht bestellt, dann habe ich mir heutzutage einfach bestimmte Fragen zu stellen.
Ich amüsiere mich aber immer gern über selbst ernannte Moralapostel, die Tierwohl und bäuerliche Landwirtschaft predigen und dann bei der Frage nach der Herkunft ihrer Salamischeibe auf der Pizza beim Lieblingsitaliener ins Schwimmen geraten. Ich esse schon seit Jahren nur noch die Margherita. Auch im Urlaub esse ich im Hotel nur Wurst, wenn ich sehe, sie kommt aus handwerklicher Wurstküche. Industriezeug esse ich überhaupt nicht mehr- dann reicht mir Marmelade. Ok- für andere Lebensmittel sollte das auch gelten. Fleisch ist aber nun mal mein Thema.
Was ärgert euch am meisten auf dem Lebensmittelmarkt und wie motiviert ihr euch immer wieder bei der Aufklärung?
Wenn man sich viel mit dem Lebensmittelmarkt beschäftigt, stößt man immer wieder auf neuen außergewöhnlichen Scheiß. Mittlerweile ist mir das egal und ich will auch niemanden bekehren. Wer mich nach etwas fragt, bekommt meine Meiniung dazu. Viele Menschen sehen ihre Ernährung aber mittlerweile als Religionsersatz, da halte ich mich gern zurück. Wer in meinem Geschäft vor mir steht, hat bereits eine Entscheidung getroffen, da braucht es nur noch wenig Aufklärung. Was hier im Tresen liegt, würde ich vorbehaltlos auch meinem Sohn zum essen geben. Das sagt schon viel aus. Punkt.
Was haltet ihr von veganen Fleischersatz-Produkten?
Überhaupt nix und das interessiert mich auch nicht. Es gibt so tolles Gemüse- meiner Meinung nach sind diese Produkte überflüssig und dienen der Lebensmittelindustrie nur als Cash-Cow.
Auf diese 3 Dinge könnt ihr nicht verzichten:
- Familie
- Fahrrad
- Steuerberater
Das haben eure Kunden noch nicht von euch gewusst?
Ich habe die 10 höchsten Alpenpässe mit dem Rennrad bezwungen.
Das Schlusswort gehört euch! Schießt los…
Die Tatsache, dass es im Internet Menschen gibt, die das, was ich hier geschrieben habe interessiert, erfüllt mich mit Hoffnung für die Zukunft. Mein Beruf erlebt derzeit so eine Art Renaissance. Ich hoffe, dass es nicht bei einem Strohfeuer bleibt, ansonsten wird es nämlich 2035 keine handwerklichen Fleischereien mehr geben. Ok- es gibt auch keine Büchsenmacher, keine Schuhmacher und keine Böttcher mehr und man ist geneigt „na und?“ zu sagen. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass wir in Deutschland mit unserer Handwerkskultur einen Schatz hüten und es kommt mir vor, als ob wir unser Tafelsilber, das, was unser Land von anderen unterscheidet, verhökern.
Ich bekomme Bauchschmerzen bei Bildern von NPD-Demos auf denen Vollpfosten ihr Billigbier saufen, Kleidung aus Bangladesch tragen und zeitgleich behaupten, Menschen die aus Angst und Armut ihre Heimat verlassen und zu uns flüchten, machen unser Land kaputt. Nein- unser Land wird zerstört, wenn nur noch die Industrie bestimmt, was, wann und wie etwas zu sein hat. Konservativ heißt ja etwas zu bewahren und genau das ist ja, was Handwerk ausmacht. Herausgefunden zu haben, wie etwas am besten funktioniert und dieses Wissen weiter zugeben- die Quintessenz von Handwerk. In diesem Sinne bin ich gern konservativ. Ein Industrieunternehmen findet nur heraus, wie etwas am billigsten herzustellen ist, am besten zu bewerben und mit dem größten Gewinn zu verkaufen ist. Eine solche Welt ist für mich wirklich zerstört.